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Brief an Scholz

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Dieser Brief ist in einem emotionalen Moment entstanden, nachdem ich mir die Aussagen des Bundeskanzlers zum Thema Klimaaktivismus angehört habe.

Sehr geehrter Herr Scholz,

Mir ist bewusst, dass Sie dieser Brief niemals erreichen wird. Ich weiß nicht einmal, ob irgendjemand diese Nachricht lesen wird.

Ich komme nicht umhin, mich zu Ihren abscheulichen Aussagen bezüglich Klimaaktivist*innen beim Katholikentag zu äußern.

Sie haben mich enttäuscht!

Ich war und bin oft inhaltlich anderer Meinung als Sie es sind. Habe aber stets daran geglaubt, dass ein vernunftbegabter und politisch engagierter Mensch in Ihnen steckt.

Das, was Sie beim Katholikentag aber gesagt haben und das, was Sie unerklärt ließen, lässt mich an meiner bisherigen Annahme zweifeln.

Sie sind seit Jahrzehnten in der Politik. Sie wissen genau, was Sie wie sagen und welche Reaktionen Sie hervorrufen wollen.

Das, was Sie über Klimaaktivist*innen wie mich gesagt haben, war kein Versehen. Es war kein Ausrutscher, ein Moment geistiger Umnachtung oder fehlender Konzentration. Sie meinten was Sie sagten und Sie meinten, was Sie soggerierten und bewusst im Ungefähren beließen.

Wir stehen mitten in einer existentiellen, weltumspannenden Krise. Nicht das Klima, sondern die Menschheit ist in Gefahr. Über den Weg zur Dekarbonisierung, sollen und möchten wir streiten. Das ist das Wesen von Demokratie. Sie aber, verweigern diese Diskussion, in dem Sie Klimaaktivist*innen auf eine Ebene mit Verfassungsfeind*innen stellen.

Nebenbei, eine unfassbar deplatzierte Relativierung dieser Verfassungsfeind*innen, die sich in den letzten Jahren, immer heftiger an unserer Demokratie und unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, zu vergreifen versuchen. Eine solche Relativierung, ist immer falsch. Für einen Sozialdemokraten aber, ist sie mindestens peinlich.

  Sie sprechen der Klimagerechtigkeitsbewegung einen ernsthaften Willen ab, inhaltlich Verbesserungen anzustoßen. Sprechen stattdessen von Inszenierungen und Theatralik. Damit banalisieren Sie unsere Anliegen auf eine plumpe Art und Weise.

Sie sind sicherlich über die letzten Erkenntnisse auf dem Feld der Klimaforschung im Bilde, dafür haben Sie Berater*innen. Umso mehr verwundert es mich, dass Sie sich lieber mit der Herabwürdigung von Klimaaktivist*innen, als vielmehr mit den dringend notwendigen Veränderungen befassen, die Ihre Regierung vornehmen muss, wollen wir in 10 oder 20 Jahren noch einen lebenswerten Planeten vorfinden. 

Ich weiß nicht, ob Sie der wissenschaftlichen Evidenz nicht glauben, die erschreckende Ergebnisse zutage befördert hat, dass die 1,5°C Grenze, bereits bis 2026 gerissen sein könnte. Oder ob Sie sich nicht trauen, den Bürger*innen zu sagen, welche Umstellungen nötig sind, um die Klimawende zu schaffen. Beides wäre verwerflich und hochgradig unangebracht.

Ein solches Verhalten, ist fatal für unsere Demokratie. Die Debatte zu blockieren, den Menschen eine „heile Welt“ vorzugaukeln und zur allgemeinen Beruhigung das fossile Zeitalter künstlich zu verlängern, sind Methoden, die wir leider in den letzten Jahrzehnten zu genüge von politischen Entscheidungsträger*innen erleben durften. Seien Sie derjenige, der diese Farce beendet.

Denn wer für das Klima kämpft, wie es die Klimagerechtigkeitsbewegung tut, kämpft in erster Linie für unsere liberale Demokratie. Eigentlich hat das Urteil des BVerfG zum Klimagesetz der Großen-Koalition, an der Sie beteiligt waren, klar gezeigt, worum es geht.

Nur wenn wir die notwendige Transformation jetzt beginnen, können wir soziale Härten in einigen Jahren verhindern, somit den sozialen Frieden waren und die Demokratie vor autoritären Angriffen beschützen. Die Freiheitsrechte können am Besten mit umfassendem Klimaschutz gewahrt und gestärkt werden. Soziale Schieflagen werden durch die Klimakrise verschärft. Das erleben wir bereits auf globaler Ebene und werden es auch in Deutschland erfahren. Von gewalttätigen Konflikten, die durch die Klimakrise verschärft werden, noch ganz zu schweigen.

Sich dieser Verantwortung bewusst zu sein und demgemäß zu handeln, ist das, was wir Klimaaktivist*innen fordern. Stattdessen werden wir und wird unsere Arbeit von Ihnen diskreditiert. Das ist eines Regierungschefs, der sich auf Wahlplakaten mit dem Attribut „Klimakanzler“ feiern lässt, unwürdig!

Unser Aktivismus, den Sie scharmlos mit dem menschenfeindlichen Rechtsextremismus vergleichen, ist übrigens oft Grund dafür, dass wir von eben diesen Rechtsextremen bedroht und angegriffen werden. Viele von uns, mich eingeschlossen, haben schon Einschüchterungsversuche oder Gewalt von rechts erlebt, weil wir für etwas kämpfen, was deren Weltbild im Wege steht. Auch deshalb ist Ihre Wortwahl extrem schmerzhaft für uns.

Die Aktivist*innen, die Sie beim Katholikentag mit diesem Vergleich beleidigt haben, sind Teil der Gruppe „Letzte Generation“. Wie das Schicksal es so will, repräsentieren Sie die letzte Generation an Regent*innen, die uns auf eine lebenswerte Zukunft hoffen lassen können.

Und was Ihre verbale Entgleisung am Wochenende betrifft:

Entschuldigen, erklären Sie sich. Und falls Sie das nicht können, treten Sie zurück. Denn Deutschland hat einen Kanzler verdient, der wissenschaftliche Realitäten anerkennt und weitsichtig zum Wohle seiner und der Weltbevölkerung handelt. Falls Sie dazu nicht in der Lage sind, sind Sie dieser „Zeitenwende“ nicht gewachsen.

Hochachtungsvoll,

Bernhard Ubirajara Milton Schüßler

(einer von Vielen)

Quellen:

  • Eine sehr gute Reaktion von Luisa Neubauer auf Twitter:

Luisa Neubauer (@Luisamneubauer) twitterte um 8:50 PM on So., Mai 29, 2022:
OK WIR MÜSSEN DARÜBER SPRECHEN. Olaf #Scholz wurde mit der Klimakrise konfrontiert. Seine Reaktion macht sprachlos. Und wir sollten genau hingucken. Denn das spricht Bände über das, was wir vom Kanzler in der Klimakatastrophe erwarten müssen. THREAD:
https://t.co/b48Yc9E2d1
(https://twitter.com/Luisamneubauer/status/1530985031568707585?t=mWhe4obOAWAGv-fuaSZs3A&s=03)


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